News

Ukrainekrieg: Hilfe vor Ort

©EDA/Alex Kühni

Seit Beginn stehen humanitären Helfer:innen sowie Freiwillige zuvorderst im Einsatz und leisten ein riesiges Engagement zur Unterstützung der betroffenen Bevölkerung.

Der Krieg hat gemäss Angaben der UNO das Leben von bereits Tausende von Menschen gefordert. Weitere Tausende wurden bei den bewaffneten Auseinandersetzungen verletzt. Ungefähr 7.7 Millionen Menschen wurden innerhalb der Ukraine vertrieben. Gemäss UNHCR sind seit dem russischen Militärangriff über 6,3 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine in die Nachbarländer geflohen. Mehr als die Hälfte von ihnen benutzt den Grenzübergang nach Polen. Mehr als 15.7 Millionen Menschen brauchen humanitäre Hilfe in der Ukraine.

Militärische Angriffe beschädigten zivile Infrastruktur wie Spitäler, Schulen, Häuser und Wasserversorgungsanlagen entlang der Kontaktlinie in der Ostukraine sowie in zahlreichen Städten. Viele Grossstädte sind konstant unter Beschuss.

Die Sicherheits- und Zugangsbedingungen für rasche Hilfeleistung für die am stärksten betroffenen Kriegsgebiete in der Ukraine gestalten sich schwierig. Dringend benötigte Nothilfe kann nur beschränkt geleistet werden. Die Zivilbevölkerung benötigt dringend sichere Unterkünfte, medizinische Versorgung, Produkte des täglichen Bedarfs und psychologische Unterstützung.

Engagement der humanitären Helfer und Helferinnen

Seit Beginn stehen humanitären Helfer:innen sowie Freiwillige zuvorderst im Einsatz und leisten ein riesiges Engagement zur Unterstützung der betroffenen Bevölkerung. Wir haben drei Mitglieder des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH) zu den Herausforderungen befragt, die sie in den Einsätzen erlebt haben und worauf sie am meisten stolz sind.

Michael Fichter Iff

Einsatz: Head Operations, Lublin, und Deputy Teamleader, Lwiw

Was war die grösste Herausforderung?

Ich war in den vergangenen Jahren bereits mehrfach in der Ostukraine im Einsatz und kannte das Gebiet deshalb etwas. Als wir nun vier Tage nach Kriegsbeginn abreisten, trafen wir auf eine ganz neue Situation mit vielen offenen Fragen: Wie geht es den Menschen, was sind die Bedürfnisse? Wie wird der Krieg weiter verlaufen, welche Gebiete werden als nächstes betroffen sein? Da mussten wir ständig in verschiedenen Varianten denken. Zudem waren wir eines der ersten Teams vor Ort. Es mussten viele Abklärungen durchgeführt werden, beispielsweise bei Zoll und Grenzwache. Da war es toll, konnten wir auf die Kolleg:innen der Botschaft in Warschau und aus Kyiv zählen. Beim zweiten Einsatz und den Reisen nach Lwiw war die Sicherheitslage im Fokus.

Worauf bist du am meisten stolz?

Auf das ganze Team – das war tolle Zusammenarbeit, auch wenn es mal herausfordernd war. Und natürlich auf die geleistete Arbeit: Mit unseren Aktionen haben wir rasch Hilfe bringen können und die Basis geschaffen, dass mittlerweile ein humanitäres Büro eröffnet werden konnte.

Welche Erfahrungen und Bilder nimmst du mit von diesem Einsatz?

Es sind so viele… In den ersten Kriegstagen an der polnisch-ukrainischen Grenze waren es die vielen flüchtenden Frauen und Kinder, die nicht wussten, ob sie ihre Angehörigen wiedersehen werden. Die Solidarität der Freiwilligen in Polen und in der Ukraine, die sich um die Vertriebenen gekümmert haben, bleiben mir ebenfalls in Erinnerung. Sicherlich auch die nächtlichen Alarme in Lwiw und die Vorstellung, dass es so viele Menschen (Kinder!) gibt, die das x-Mal am Tag erfahren müssen. Oder dann einfach der Kontrast zwischen dem Krieg und das Leben, das irgendwie weitergehen muss.

Sonia de la Cruz

Einsatz: Cash-Secondment, Warschau und Lwiw

Was war die grösste Herausforderung?

In Warschau: Herauszufinden, wo ich den grössten Mehrwert bieten kann. An Informationen zu kommen oder diese auf Richtigkeit zu prüfen. In Lwiw: Trotz täglichen und nächtlichen Unterbrechungen aufgrund der Air-Alarms zu «funktionieren».

Worauf bist du am meisten stolz?

Dass meine Nexus-orientierte Inputs von Caritas Schweiz und Caritas Ukraine geschätzt wurden. Wir starten vermutlich ein Pilotprojekt: «Cash for isolation» im Rahmen der Winterization-Aktivitäten (wintertaugliche Unterkünfte) mit Caritas Ukraine, dem lokalen Partner von Caritas Schweiz.

Welche Erfahrung nimmst du mit von diesem Einsatz?

Es ist sehr spannend und dynamisch für eine NGO sekundiert zu sein, und sie vor Ort zu unterstützen. Es ist sehr operationell. Es ist auch bemerkenswert zu erleben, wie eine NGO mit viel weniger Ressourcen so viel erreichen kann und gleichzeitig professionell ist und bleibt.

Beat Herger

Einsatz: Evakuierung und Lieferung Nahrungsmittel Odesa und Winnyzja

Was war die grösste Herausforderung?

Die Landung auf dem Stadtflughafen in Kyiv an einem wunderschönen Wintertag Mitte Februar und knapp drei Wochen später, nach einer sehr intensiven Zeit an der Schweizer Botschaft, die Fahrt mit dem letzten Schweizer Fahrzeugkonvoi aus Kyiv stellte wohl die grösste Herausforderung dar. Kyiv wurde zu dem Zeitpunkt von den russischen Aggressoren umzingelt.

Worauf bist du am meisten stolz?

Dank dem raschen Entscheid von Botschafter Bessler ist es gelungen in weniger als zwei Wochen nach dem Erhalt des Hilfsgesuchs von Odesa und Winnyzja die dringend benötigten Lebensmittel zu liefern. In einer unglaublichen Parforceleistung von verschiedenen Mitarbeiter:innen der humanitären Hilfe an der Zentrale in Bern, Mitarbeiter:innen der Kooperationsbüros von Kyiv und Chisinau sowie der Unterstützung der Expert:innen des SET (Sofort Einsatzteam) konnten alle notwendigen Dokumente zeitgerecht erstellt und mit den Lebensmittellieferungen an beiden Standorten begonnen werden.

Welche Erfahrung nimmst du mit von diesem Einsatz?

Der Teamspirit, die hohe Einsatzbereitschaft sowie die Fachkompetenz und die hohe, persönliche Motivation jedes einzelnen SET-Mitgliedes waren eine unglaublich positive Erfahrung. Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen medizinischen Fachpersonen des Mother&Child-Moduls (Ärzten, Hebammen, Pflegefachfrauen), verschiedenen Mitarbeiter:innen der Zentrale, der Kooperationsbüros von Chisinau und Kyiv und der Expert:innen des SKH, nehme ich persönlich als positivstete Erfahrung mit.

 

Weitere Informationen zum Engagement der Schweiz in der Ukraine: link

Die Schweiz ist aktuell mit der grössten Fluchtbewegung seit dem zweiten Weltkrieg konfrontiert: link

Obligatorischen Bildung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen: link

Das UNHCR leitet die internationale Koordination aller Flüchtlinge weltweit und in der Ukraine (auf Englisch): link

Global Trends wird jedes Jahr veröffentlicht, um die Veränderungen in den vom UNHCR betreuten Bevölkerungsgruppen zu analysieren und das Verständnis der Öffentlichkeit für aktuelle Krisen zu vertiefen: link

 

Die Zitate wurden von Christina Stucky, Mitglied des SKH und des Redaktionsteams des «The Humanitarian» im Juni 2022 gesammelt.